Kurz und knapp: Irrtümer rund ums Kleinkind (1-4 Jahre)
Irrtum Trotzen : Wenn das Kind trotzt, ist es ungezogen, bockig oder will mich erpressen.
Richtiger: Trotz ist ein Ausdruck von Kraft, Widerstand und/oder Trauer im Sinne von” Nicht-Einverstanden-Sein”, oder enttäuscht sein über das “Nein” der Anderen oder über das eigene Unvermögen.
Hilfe: Sich selbst regulieren, Empathie geben = Gefühle benennen, Spiegeln, Zeit lassen, so viel Nähe geben, wie das Kind zulässt.
Maulen - ist nicht ungezogen, sondern eine gesunde, weniger laute Trauerreaktion bei Enttäuschung.
Erwachsene: Durchatmen, Aushalten, Zeit lassen, sich dabei “richtig” fühlen, Empathie geben (z.B. ”Ist gerade echt schwer für Dich…), aber kein Mitleid.
Klammern - macht das Kind auch deshalb, weil es fürchtet, dem Erwachsenen könne es schlecht gehen, wenn es nicht bei ihm ist. Besonders, wenn Mutter oder Vater beim Abgeben des Kindes Schuldgefühle haben.
Beste Abhilfe: Der betreffende Elternteil schafft Klarheit in seinem Kopf über die Sinnhaftigkeit der Tagesbetreuung, bearbeitet seine eigenen Schuldgefühle und/oder macht dem Kind wirklich glaubhaft (Körpersprache!), dass es ihm auch ohne seine Anwesenheit sehr gut gehen kann. Er/Sie sorgt selbst gut für sich.
Wenn das Kind klammert, weil es sich in der anderen Umgebung nicht wohlfühlt, war entweder die Eingewöhnung zu kurz oder die Menschen dort (ErzieherInnen, andere Kinder…) sind angespannt. Auch nach einer grundsätzlichen Angst im Kind (unverarbeitetes Trauma) sollte geschaut werden. Eltern können das mit entsprechender Anleitung relativ leicht behandeln.
Aggressives Verhalten wie Hauen, Beißen, Kratzen, Schubsen, Zerstören…
macht das Kind, weil es selbst so etwas erlebt hat? Nein. Auch Kinder, die nie aggressiv behandelt wurden, zeigen solche Verhaltensweisen. Erst einmal liegt es nur daran, dass sie es können. An der Reaktion der Anderen erlernen sie, dass das kein erwünschtes Verhalten ist. Sie wollen das aber freundlich und liebevoll hören (bis zu 20 x, je nach Alter!), ohne als “schlechtes Kind” deklariert zu werden.
Wenn es uns wehgetan hat, darf/muss der Schmerzenslaut adäquat sein.
Später darf die Stimme auch mal Eindruck machen/donnern: „Nein, ich will das wirklich nicht!!!“
Kleine Kinder sind von sich aus niemals “böse” im Sinne von: Ich tue absichtlich etwas Schlimmes, um Dich zu ärgern. Sie tun aber vieles was uns nicht gefällt, aus Unkenntnis, Langeweile, Übermut oder um auf schwierige Zustände in der Familie/im Umfeld hinzuweisen. Insofern sind solche Symptome von Kindern wichtige Hinweise, die entschlüsselt werden können und sich kurzfristig verlieren, wenn die Grundprobleme offengelegt sind - und dauerhaft verschwinden, wenn sie gelöst werden.
Schimpfwörtergebrauch, um Erwachsene zu ärgern? Nein.
Kleine Kinder schnappen Kraftausdrücke überall auf und testen gern die Wirkung an den Eltern, ohne (am Anfang) im Mindesten zu ahnen, was es bedeutet. Eltern sollten sich darüber nur wundern, aber keinesfalls ärgern.
Abhilfe: Freundlich ignorieren bzw. dem Kind in Ruhe sagen, dass Ihr in Eurer Familie solche Wörter nicht wollt. Ihr müsst Euch aber auch selbst dranhalten! Auch könnt Ihr eigene Kraftausdrücke erfinden (z.B. so was wie “Grrrünkrrrautkrrratzer” oder nach „Doofer Scheißkerl“ nach dem „Lieben Liebkerl“ fragen. – und dadurch, statt genervt zu reagieren, ein lustiges Spiel daraus machen.
Wenn sich aber jemand massiv über solche Wörter (aus Kindermund) gestört fühlt, liegt es wahrscheinlich daran, dass er/sie selbst als junger Mensch mit Schimpfwörtern und Abwertung schlimm gekränkt worden ist.
Abhilfe: Diese Kränkungen nachträglich verarbeiten, z.B. indem man sie einem achtsamen Menschen erzählt und sich selbst Empathie gibt.
Weinen, um Erwachsene zu manipulieren/ zu erpressen? Nein!
Weinen ist für Kinder die beste Möglichkeit, mit negativen Gefühlen gesund umzugehen. Was belastend ist und ausgeweint werden darf, verliert seine Störkraft.
Empathische Begleiter, die nicht mitLEIDEN, aber mitFÜHLEN, sind dabei wichtig. Sie sollen versuchen, dem Kind die Gefühle zu benennen (spiegeln), die sie glauben, verstanden zu haben. Entspannte Nähe ist dabei gut: bei Kleinen Bauch auf Bauch, bei Größeren auf dem Schoß oder daneben sitzend, und dabei NICHT STREICHELN;
Wenn wir selbst die Ursache für das Weinen sind (z.B. nach dem Nein-Sagen), ist Körperkontakt eine Weile nicht erwünscht; dann empathisch in der Nähe bleiben; die Gefühle evtl. spiegeln und sich selbst gut spüren/regulieren.
Beispiel: „Ich habe verstanden, dass Du WIRKLICH dieses Auto haben willst, und ich will es WIRKLICH nicht kaufen. Ich sehe, dass Du jetzt WIRKLICH traurig bist. So ist es. Ich höre Deine Trauer und halte sie aus.“
Mit Eigen-Empathie (Durchatmen, Körperwahrnehmung und Eigenregulation) vermittelt die/der Erwachsene ein Umfeld von Akzeptanz und Angenommen-Sein für das weinende Kind.
Trösten und Streicheln im Sinne von: Es ist doch nicht so schlimm, es geht bald vorbei, Du brauchst doch nicht zu weinen/keine Angst haben/ traurig sein… sind kontraproduktiv und rufen Resignation oder Wut hervor.
Erwachsene, die dieses “Weinen” nicht anhören/aushalten können, weil es ihnen dabei selbst schlecht geht, haben meist ein eigenes unverarbeitetes Problem und sollten das aufarbeiten.
Verweigerung von Essen oder Trinken:
Kann wirklich Sorge oder Angst beim Erwachsenen machen. Druckausübung verschärft das Problem. Checken der körperlichen Gesundheit, ruhige Gelassenheit und freundliche Angebote in entspannter Atmosphäre sind Mittel der 1. Wahl. Kleinstmengen statt voller Teller anbieten, erst mal Messerspitzen-Menge kosten lassen. “Sanft” füttern: Löffel können weh tun. Fingerfood ist noch besser. Manchmal hilft bei Größeren ein neckisches „Essen-Verboten-Spiel“. Kinder, die gerade krank sind, brauchen nur Lieblingsessen und davon auch nur wenig. Sie holen das wieder nach.
Bei allen Problemen hilft: Eigenempathie = Durchatmen, sich im Moment spüren; (später) sich Austauschen mit achtsamen Menschen/ Intervision suchen, gut für sich sorgen= die eigenen Kraftquellen stärken.
Und gut zu wissen: In gesunden Familien geht es oft ziemlich laut zu.